Andreas Schmitz, Du bist unter anderem KidsCare Beauftragter bei den Sportfreunden. Wie hast Du von dem Programm erfahren und was waren Deine Beweggründe Dich anzuschließen?
Ich habe es über einen Freund erfahren, der für Fortuna Düsseldorf arbeitet, auch federführend das Projekt zusammen mit dem Kinderschutzbund von Anfang an begleitet hat. Durch einen Austausch mit ihm, habe ich früh von KidsCare erfahren und war direkt Feuer und Flamme. Vor allem, dass ein kindgerechtes Training und Verhalten einen Rahmen bekommt und in möglichst viele Sportvereine getragen wird. Tatsächlich gehörten wir zu den ersten Vereinen in Düsseldorf und mittlerweile sind es über 60.
Welche Maßnahmen wurden bisher ergriffen, um Kids Care einen klaren Rahmen zu geben?
Zunächst benötigten wir interessierte Leute wie meine Wenigkeit und meinen Kollegen Dennis, die das Projekt ausrollen wollten. Nun gibt es Handlungspläne, so dass Vorfälle eingeordnet werden können und entsprechend reagiert werden kann.
Aktuell suchen wir noch weibliche Verstärkung, da das Thema Mädchenfußball bei den Sportfreunden immer größer geworden ist und es entwickelt sich stetig weiter. Dennis und ich, sowie die Jugendleitung sind der Meinung, dass eine Frau im Kids Care Team dabei sein sollte und es ist bereits eine Kandidatin im Gespräch.
Dann besprechen wir doch gleich eine Stellenbeschreibung. Welche Aufgaben sind Teil des Projekts? Wie hoch ist der Aufwand?
Der Aufwand ist, Gott sei dank, nicht so groß, weil nur vereinzelnd mal Fälle aufgekommen sind, die an mich herangetragen wurden und sich alle auflösen ließen ohne externe Instanzen einzuschalten. Was ich gut finde und ein großer Schritt ist, ist nun auch die Rückendeckung des gesamten Vorstands zu haben: das Thema Kinderschutz wurde in die Satzung aufgenommen. Nochmal zum Aufwand: Auf der Anlage läuft man sich ständig über den Weg. So bietet sich die Möglichkeit eines regelmäßigen Austausches direkt vor Ort oder wir treffen uns, sobald uns oder anderen ein Kinderschutz-Thema auffällt. Wir sind im regelmäßigen Austausch mit den Trainern, und achten auf ein wertschätzendes und kindgerechtes Training. Wir tauschen uns auch mit Kindern/Jugendlichen direkt aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sie sich wohlfühlen. Falls Trainer uns Kinder melden, die sich auffällig Verhalten oder sehr zurückgezogen sind, überlegen wir in enger Absprache mit dem Trainer, wie weitere Schritte aussehen können. Dann kann es auch zum Elterngespräch kommen.
Was ist denn Deiner Meinung nach ein kindgerechtes Training?
Ja, kindgerecht ist ein komisches Wort. Ich möchte weiter gehen und sagen, menschengerecht. Die meisten Trainer oder Funktionäre hier im Verein sind, bis auf zwei, drei, ehrenamtlich tätig. Sie machen es zu Ihrem Hobby. Das darf man nicht vergessen. Ein Hobby sollte Spaß machen, für alle Beteiligten. Wenn es mal lauter wird auf dem Platz oder je nachdem wie kommuniziert wird, frag ich mich eben, macht es da wirklich gerade Spaß? Je nach Tagesform kann und darf auch jeder mal gestresst sein. So etwas kann passieren. Das passiert in Schulen oder an Orten, wo Menschen aufeinandertreffen. Hier verlässt die Person einen bewussten Bereich in eine Richtung, wo diese Person sich kaum noch unter Kontrolle hat. Da schauen wir hin und haken auch mal ein, wenn es der Person nicht gut geht. Die wichtigsten Punkte sind für mich, dass wir den Kindern oder auch Erwachsenen Aufmerksamkeit schenken.
Eine bedingungsfreie Aufmerksamkeit, dass wir ganz bei der Person sind und diese auch weiß: hier hört mir wirklich jemand zu. So entsteht eine gesunde Verbindung. Ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene: jeder darf seine Meinung äußern. Das ist ein sehr wichtiges Kinderrecht.
Für uns ist es wünschenswert, dass Trainer und Kinder stressfrei zum Training kommen und auch stressfrei gehen. Bei so manch anderen Vereinen frage ich mich, wie mit Spielern und Spielerinnen umgegangen wird. Wieviel Einfluss haben wir im Amateurbereich?
Stressmanagement ist ein großes Thema und kommt leider viel zu kurz im Amateurbereich. Im Profibereich wird mit Psychologen gearbeitet, die einen Blick auf verschiedene Situationen haben und hinterfragen. Durch meine Zusatzqualifikationen zum psychologischen Berater und Performance Coach bringe ich mich im Verein ein, um Stressblockaden zu lösen. Jeder ist herzlich eingeladen, mit mir zu sprechen. Es sind alle Themen erlaubt. Ich denke, da sind wir hier im Verein im Amateurbereich schon einzigartig. Bisher durfte ich acht Spieler sowie drei Trainer begleiten und meist ging es um die Angst in Spielsituationen, wie zum Beispiel den Ball zu verlieren, also Fehler zu machen.
Ein Spieler oder eine Spielerin sollte frei spielen dürfen. Mutig sein dürfen. Wie kann ein Kind einen Fehler machen, wenn es nicht weiß, was angeblich richtig ist?
Ja, Fehlerkultur ist so ein Stichwort. Durch meine Trainerausbildung hat sich meine Ansprache gegenüber Kindern auch entwickelt. Ich sagte ihnen: ihr könnt keine Fehler machen. Klingt erstmal komisch, aber die Kinder treffen eine Entscheidung. Ob sie dribbeln, passen oder auf das Tor schießen, sollte ihre freie und kreative Entscheidung sein. Misslingt die Aktion ist der Trainer unglaublich wichtig. Verstärkt er diesen Fehler, obwohl das Kind sich selber schon schlecht fühlt oder versucht er den Mut des Kindes zu stärken?
Hin und wieder erwische ich mich als Trainer selbst dabei, einen unpassenden Kommentar abzugeben. Ich denke dann: wieso hast du das jetzt gesagt?
Aber genau eine solche Kultur möchte ich hier gerne schaffen. Dass die Trainer sich reflektieren, ein bewusstes Verhalten an den Tag legen, voll und ganz in der Situation sind und die Kontrolle behalten, so schwer es auch manchmal durch den eigenen Siegeswillen ist. Aber es ist nun mal so, dass das Team gewinnt oder verliert und nicht der Trainer persönlich. Hier ist eine emotionale Distanz gefragt. Natürlich darf ein Trainer sich freuen oder enttäuscht sein, denn er identifiziert sich ja mit der Mannschaft. Er sollte, aber immer noch die Kontrolle behalten, um in der Lage zu sein, den Kindern zu gratulieren oder sie zu trösten. Wenn Trainer sich nicht mehr konstruktiv verhalten und Kinder anbrüllen oder ihnen Vorwürfe machen, dann finde ich es wichtig, sich diese Trainer auch mal zur Seite zu nehmen und ein vernünftiges Feedback-Gespräch zu führen.
Auf welche Themen schaust du noch in Bezug auf KidsCare?
Neben dem Coachingverhalten hatten wir drei Vorfälle, die sich aber auch am Ende gut aufgelöst haben. Worauf ich genauer schaue ist das Thema Mobbing. Nicht nur auf dem Feld, sondern vielmehr in Gruppenchats oder anderen Medien. Mir ist es wichtig, mich einerseits um das Opfer zu kümmern und auch um diejenige Person, die Mobbing ausführt. Wozu braucht die Person das? Warum hält sie es für nötig?
Du warst selber lange Trainer, hast die C-Lizenz, bist psychologischer Berater und Performance Coach. Heißt, Du kennst beide Seiten sehr gut, kannst mitreden.
Ein wichtiger Faktor für uns im Verein ist, dass jeder das Gefühl haben sollte, die Trainer lassen uns nicht allein. Zudem gibt es mit mir noch eine neutrale Person, die jederzeit für jedes Thema ansprechbar ist. Ich kenne das trainieren und betreuen von Teams sehr gut und bin deshalb in Einzelcoachings mit Trainern schnell im Thema.
Beim Kids Care geht es hauptsächlich um Prävention. Was tust du genau dafür?
Vor kurzem bat mich ein Trainer aus dem Mädchenfußball beim Elterntreff dabei zu sein, um dieses Thema vorzustellen. Wir finden es wichtig, das Thema KidsCare und Kinderschutz in möglichst alle Mannschaften zu tragen. Sportfreunde soll ein Ort sein, der für Sicherheit und Entwicklung steht. Nicht nur fußballerisch, sondern auch menschlich. Kinder und Jugendliche sollen mit einem gestärkten Selbstwertgefühl von der Anlage gehen. Wir möchten einen Teil dazu beitragen, dass das Kind in allen Lebensbereichen stabil wird und bleibt. Sportvereine haben meiner Meinung nach eine hohe Verantwortung. Und nur wenige werden dem gerecht, weil es ihnen vielleicht auch nicht so bewusst ist.
Womöglich haben die Vereine auch nicht die Möglichkeit auf alle Vorkommnisse zu achten, weil sie in diesem Hinblick unterbesetzt sind. Wir haben Glück, dass Du und das KidsCare Team sich für alle Sportfreunde engagieren. Obwohl wir gerne meckern, sind wir ganz gut aufgestellt.
Das sehe ich auch so. Wir machen das seit gut drei Jahren und es sind keine kritischen Fälle vorgekommen. Das Performance Coaching und das Lösen von Stressblockaden ist ein Bonus, den sich jeder abholen darf. Ich wünsche mir, dass mehr Vereine oder auch der Verband über den sogenannten Tellerrand hinausblicken.
Was ist dein Wunsch für Kids Care und die Sportfreunde?
Mutige Trainer, die sich auf eine Stunde Coaching einlassen. Das Thema KidsCare noch mehr in die Elternschaft zu tragen. Weiter mehr Austausch unter den Trainern in z.B. regelmäßigen Trainertreffen. Ich möchte gerne meinen Teil dazu beitragen, um eine transparente Kultur zu etablieren, in der alle Themen angesprochen werden können. Damit wäre ich zufrieden.
Vielen Dank, Andi.
Das Interview führte André Mölders.